"Vergesst uns nicht!"

15. Mai 2012


Einladung Jüdisches Leben in Rauischholzhausen

Am Dienstag, den 15. Mai 2012 wurde um 17 Uhr im Schlosspark Rauischholzhausen, "Obere Höhle" (Forstweg) eine Informationstafel zum Jüdischen Friedhof Rauischholzhausen mit einer kleinen Feier der Öffentlichkeit übergeben. Die Tafel gestaltete der WPU-Kurs 10 "Jüdisches Leben in unserer Region" der Gesamtschule Ebsdorfer Grund gemeinsam mit einem Grafik-Büro im Auftrag der Gemeinde Ebsdorfergrund.

Mehr als 100 Menschen gedachten am Dienstag, den 15. Mai 2012 der jüdischen Familien, die bis zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten fester Bestandteil der Dorfgemeinschaft in Rauischholzhausen waren.

Enthüllung der Gedenktafel jüdischer Friedhof Schlosspark Rauischholzhausen

Der erste Teil der Feier fand ab 17.00 Uhr unterhalb des Jüdischen Friedhofs Rauischholzhausen am Forstweg statt. Die 6 Teilnehmerinnen des WPU-Kurses (Wahlpflicht-Unterricht) "Jüdisches Leben in unserer Region" der Gesamtschule Ebsdorfer Grund und ihre Lehrerin, Fr. Kafitz, gestalteten gemeinsam mit Herrn Bürgermeister Schulz und dem Grafiker Helge Neubauer die feierliche Enthüllung der Informationstafel, die in Zukunft auch TouristInnen und Gäste des Schlosses auf die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Rauischholzhausen hinweisen wird.

Enthüllung der Gedenktafel jüdischer Friedhof Schlosspark Rauischholzhausen

Musikalisch eingerahmt wurde die Feier durch 3 Klezmer-Stücke, gespielt vom "Blockflöten Ensemble der Erwachsenen" der Musikschule Harmonie Kunterbunt in Schröck.

Berches - traditionelles Sabbatbrot der orthodoxen Juden

Im Anschluss an die Enthüllung der Tafel fand in der Alten Schule eine Gedenkfeier statt.

Zuerst gab es "Berches", das traditionelle Sabbatbrot der orthodoxen Juden, gebacken von Schülern und Schülerinnen des Religionskurses von Frau Kaese, Pfarrerin aus Dreihausen, und den Schülerinnen des WPU-Kurses, die sich im Laufe des Jahres auch mit den Regeln des orthodoxen jüdischen Ritus beschäftigten.

Frau Kafitz berichtete von der Arbeit des Kurses und den angewandten Recherche-Methoden; Herr Potthoff, Schulleiter der GSE, sprach über die Wichtigkeit eines solchen Unterrichts, der sich auf völlig anderen Wegen bewegt als der "normale" Unterricht im Klassenraum und deshalb auch ganz anders eindrückliche Ergebnisse erzielt. Er selbst hat als Geschichtslehrer vor vielen Jahren schon eine solche Recherche-Arbeit mit seinen Schülern und Schülerinnen durchgeführt, sprach also aus persönlicher Erfahrung.

Herr Pfarrer Dr. Schlarb zeigte sich in seiner Rede sehr beeindruckt von der Arbeit der Mädchen, vor allem von ihrem Durchhaltevermögen, ein Jahr lang am Thema zu bleiben und zum Schluss noch einmal eine solche Anstrengung zu unternehmen, um die Ergebnisse der Öffentlichkeit mitzuteilen. Sein Hauptanliegen lag jedoch in der Feststellung, dass eine solche Entmenschlichung von gesellschaftlichen oder religiösen Gruppen, wie sie der Nationalsozialismus fertig gebracht hat, nur dann nicht wieder geschehen kann, wenn wir wachsam bleiben und das Andenken an die geschichtlichen Ereignisse wahren und weitergeben.

Annemarie Duske berichtete von ihren familiären Erfahrungen der 50er und 60er Jahre, die - wie sie sagte - zwar von den Folgen des Krieges geprägt gewesen seien, aber trotzdem den Kindern nicht die tatsächlichen Geschehnisse nahe bringen konnten, da die meisten Menschen so traumatisiert waren, dass sie nicht in der Lage gewesen seien, von den schrecklichen Geschehnissen der Nazizeit zu erzählen.

Dann berichteten die Schülerinnen aus dem Leben der jüdischen Familien und stellten das Schicksal der einzelnen Personen vor.

Schülerinnen der Gesamtschule Ebsdorfer Grund Schülerinnen der Gesamtschule Ebsdorfer Grund

Die Vorträge wechselten sich mit verschiedenen musikalischen Beiträgen ab. Lisa Reumke spielte aus einem Konzert von O. Rieding für Violine und Orchester. Eduard Simon, Student und Vertretungslehrer an der GSE, sang drei der "Lieder aus Theresienstadt" von Ilse Weber, einer Sängerin und Komponistin, die - wie die jüdischen Bewohner Rauischholzhausens - 1942 nach Theresienstadt deportiert und in Auschwitz ermordet wurde. Begleitet wurde er von Ida Seidner auf der Querflöte, Lukas Emmerich auf der Gitarre und Alina Weigel auf dem Klavier.

Zum Schluss der Veranstaltung zündeten die Schülerinnen für alle jüdischen Bürger und Bürgerinnen, die von Rauischholzhausen aus deportiert und in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet wurden, Kerzen des Gedenkens an.

Die Ergebnisse eines Jahres schulischer Forschungsarbeit und vieler Stunden Recherche vor Ort fassten die Schülerinnen unter fachlicher Anleitung von Frau Kafitz in der Broschüre "Vergesst uns nicht! Gegenwart des Vergangenen: Jüdisches Leben in Rauischholzhausen" zusammen. Die Broschüre wurde kostenlos gestaltet von Andreas Frick, der nicht nur eine Werbeagentur in Marburg führt, sondern auch seit 2 Jahren in Rauischholzhausen wohnt.

Die Broschüre kann für 6,- EURO bei der Gesamtschule Ebsdorfer Grund, der Gemeindeverwaltung Ebsdorfergrund, den Apotheken in Rauischholzhausen und Dreihausen oder bei der Dorfgemeinschaft Rauischholzhausen erworben werden.

Die Teilnehmerinnen des Kurses sind: Jessica Bloh, Luisa Campe, Ann-Christin Rauch, Lisa Reumke, Alina Weigel, Tabea Wirth und: Angela Kafitz, Lehrerin für Deutsch und Geschichte an der Gesamtschule Ebsdorfer Grund

Wir bedanken uns bei allen Beteiligten und den Gästen für die ergreifende Veranstaltung!

Kerstin Reumke